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Die vergessenen Opfer der Pandemie

Als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in der vergangenen Woche seine Rede bei der Gedenkfeier für die 80.000 Toten in der Pandemie hielt, sprach er von den „tiefen Wunden“, die die Pandemie gerissen hat. Doch nicht nur bei den Verstorbenen und ihren Angehörigen hat die Coronakrise für Leid gesorgt. Es liegt mir völlig fern, das Leid der Hinterbliebenen kleinzureden oder zu irgendwie zu schmälern. Dennoch möchte ich heute auf die allzu oft vergessenen Opfer der Pandemie sprechen, deren Sorgen und Nöte in der von der Rentnergeneration dominierten Politik leider viel zu selten Beachtung finden.

Wenn man wie ich seine Jugend schon hinter sich hat, dann weiß man: sie ist kurz. Und dennoch ist es eine Zeit, die für die Entwicklung der Persönlichkeit im Erwachsenenalter unglaublich prägend ist, und an die man den Rest seines Lebens immer wieder zurückdenkt. Diese Zeit ist unwiederbringlich. Unsere Kinder, die jetzt kostbare Monate und Jahre ihrer Jugend verlieren, werden sie niemals zurückbekommen. All das, was wir damals erleben konnten – die ersten Parties, den Abiball, das Entdecken der Freiheit und Eigenständigkeit in einer neuen Stadt zum Beginn des Studiums und unzähliges mehr: Das alles wird der jungen Generation momentan genommen.

Stattdessen erleben wir zunehmend, wie unsere Kinder am Dauerlockdown mehr und mehr zerbrechen. Immer mehr macht die Einsamkeit und Isolation von ihren einst großen Freundeskreisen sie schwermütig, und immer mehr müssen wir zusehen, wie aus zuvor lebensfrohen und optimistischen Jugendlichen verunsicherte, ängstliche und traurige Menschen werden, die Nervenzusammenbrüche erleiden und mit Depressionen kämpfen.

Doch nicht nur das fehlende für ihr Alter adäquate Sozialleben macht den Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu schaffen. Auch Schule und Universität sorgen bei immer mehr von ihnen für Überforderung und Zukunftsängste. Während die Studierenden seit nun über einem Jahr keine Universität von innen gesehen haben und in ihren 1-Zimmer-Appartments und WG-Zimmern auf die Vorlesungen am Bildschirm verfolgen, sind Schüler die Leidtragenden des ständigen Hin und Her von Schulschließung- und Öffnung, Wechsel- und Distanzunterricht, Masken- und Testpflicht. In über einem Jahr waren sie insgesamt 3 Monate in der Schule und die Konzentration leidet unter der Maske erheblich. Experten schätzen die entstandenen Lernlücken auf bis zu 40% und es verwundert daher nicht, dass immer mehr von ihnen zusätzlich Nachhilfe benötigen.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Masken und Tests in der Schule müssen leider sein, 600 Studenten im Vorlesungssaal sind aktuell einfach nicht möglich und auch Parties kann man im Moment einfach nicht verantworten. Doch all das ändert nichts daran, dass sich die jungen Menschen, die davon betroffen sind, nur noch gegängelt, schikaniert, gestresst und überfordert fühlen. Dass am Montag die Schulen nun ein weiteres Mal geschlossen werden sollen, zeigt einmal mehr die Orientierungslosigkeit der Politik auf und kann nur noch für Kopfschütteln sorgen.

Hoffen wir alle, dass die Pandemie trotz der immer wieder aufkommenden Mutationen bald ein Ende nimmt. Doch viele unserer Kinder werden die psychischen Folgen dieser Zeit noch lange begleiten und müssen es womöglich auch in Zukunft ausbaden.