Bildquelle Parham Farajollahi

Das Leben (und Sterben) der Marketingbranche

Die Marketingbranche ist fragil geworden und das geht natürlich auch an mir, als Geschäftsführerin einer Werbeagentur, nicht spurlos vorbei. Trotzdem werden immer wieder neue Agenturen gegründet. Viele sind jedoch genauso häufig so schnell wieder verschwunden, wie sie aufgetaucht sind. Angebotsüberschuss, der Verlust von Übersicht und Glaubwürdigkeit und digitale Trends in der Werbewelt lassen sich dennoch nicht leugnen. Unzählige begriffliche Kreationen und neue Job-Bezeichnungen lassen bei mir mittlerweile maximal ein Stirnrunzeln entstehen, vieles ist mehr Schein als Sein; gerade heutzutage in Zeiten von Facebook, Instagram und Co.

Entwicklung Nr. 1: Inhouse statt Agentur

Die goldenen Zeiten der Werbeagenturen sind vorbei. Die meisten großen Unternehmen schließen ihr Marketing in gewaltige, aber zunehmend ineffizienten Abteilungen ein und erledigen alles inhouse. Damit sperren sie sich jedoch vom Markt aus und begrenzen die Möglichkeiten, die die offene Wirtschaft mit sich bringt. Agenturen sind Dienstleister, sie müssen sich auf den Kunden und dessen Ziel konzentrieren, sind den Endverbrauchern einfach näher. Hauseigene Marketingabteilungen haben eine ganze Palette an Aufgaben und können nicht immer die nötige Zeit für Projekte und Probleme aufbringen. Die Kommunikationswege sind länger. Deshalb lautet meine Empfehlung immer, unterstützend auf Agenturen zu setzen: Flinker, agiler, flexibler, strategischer, kreativer, innovativer. Das macht uns als Werbeagenturen aus.

Entwicklung Nr. 2: Influencer und Hashtags

Natürlich haben sich durch die Digitalisierung neue Wege des Marketings aufgetan. Das Geld wird heutzutage vor allem in Maßnahmen, wie die Zusammenarbeit mit Influencern oder Suchmaschinen-Advertising, gesteckt. Jene Veränderung, die mit der Digitalisierung einhergehen sind unvermeidlich und auch logisch. Sie erweitern darüber hinaus unser strategisches Spektrum. Obwohl laut WUV 2017 30.000 Influencer um die 560 Millionen Euro umgesetzt haben, fragt man sich langsam, wie lange der Influencer-Boom noch dauern soll. Viele Marken setzen auf Likes statt auf glaubwürdige Gesichter, lassen ihr Waschmittel kunstvoll inszenieren – damit es dann im Fahrradkörbchen oder auf der Kommode landet. Umrandet von Blumen versteht sich. Genauso wie Influencer fast von heute auf morgen eine tragende Rolle im Imagebild der Marken eingenommen haben, werden sie wohl auch bald durch einen neuen Trend ersetzt. So relevant wie Influencer sind auch virale Trends in Form von Hashtags (#metoo und ähnliche). In der heutigen Zeit entwickeln sich Meinungen einfach unheimlich rasant.  Viele werden aufgegriffen und das oftmals ohne jegliches Hintergrundwissen. Solche Trends werden schnell zu Selbstläufern und sind immens gefährlich, können den Ruf einer Person oder Marke – vielleicht sogar ungerechtfertigt – nachhaltig schaden. In einigen Fällen sind diese Hashtag-Trends jedoch auch Folge immensen Fehlverhaltens. So hat sich das Image und die Glaubwürdigkeit vieler Unternehmen nach Skandalen wie #dieselgate oder #deletefacebook drastisch verschlechtert. Die Wahrnehmung der Öffentlichkeitsarbeit jener Konzerne gleichermaßen. Hier können wir als Werbeagentur schnell reagieren und Schadensbegrenzung betreiben.

Entwicklung Nr. 3: Verbraucher wollen Glaubwürdigkeit

Um die Marketingbranche und Werbung an sich wieder aufzuwerten, sollte man meiner Meinung nach wieder einer Dimension des Marketings mehr Nachdruck verleihen. Und das ist: Haltung. Das Konsumverhalten hat sich verändert. Heutzutage beginnen immer mehr Menschen die Bedingungen hinter den Produkten zu hinterfragen. Der Standpunkt der Marken sollte deshalb klar gemacht werden. Sinnstiftende Haltung anzunehmen, ethisch und ökologisch vertretbar zu produzieren, sollte mehr in den Fokus der Unternehmen rücken. Wenn dies gelingt, ist es den Werbeagenturen möglich, clevere, aufsehenerregende Kampagnen zu entwickeln, ohne das Unternehmen zunächst wieder ins rechte Licht rücken zu müssen. Ebenso entsteht durch ethisches Verhalten ein Wettbewerbsvorteil. Marken mit einer klaren Haltung sind häufig erfolgreicher als andere.

Lösung: Wer nie abbiegt…

Kreativität, Strategie und Haltung sind meine Pfeiler guter Werbung. Kaum eine andere Branche ist so im stetigen Wandel wie die Werbebranche. Wir versuchen stets unsere eigenen Prinzipien und Ziele im Auge zu behalten, uns treu zu bleiben und trotzdem immer wieder auf Trends und Veränderungen zu reagieren. Genau das können Werbeagenturen meines Erachtens besser als hauseigene Marketingabteilungen, die trotz der hippen Branche eher festgefahren und konventionell arbeiten. Deshalb werde ich mit meiner Agentur immer dem Zahn der Zeit folgen, wendig und flexibel sein. Neue Chancen und Risiken erkennen und umdenken, frei nach meinem Vortragstitel bei den motio-Netzwerktagen Mitte April: “Wer nie abbiegt, bleibt auf der Strecke”.