Lange habe ich an dieser Stelle nichts mehr von mir hören lassen. Mein letzter Blog zum Thema Corona ist nun schon einige Monate her, seitdem dominiert das Thema ununterbrochen unsere Medienlandschaft. Ich wollte in dieser Zeit nicht eine der vielen sein, die ständig ihren Senf dazugeben und meinen, es besser zu wissen, sondern das Feld lieber den Experten überlassen.
Was mich nun veranlasst, gewissermaßen mein Schweigen zu brechen, ist daher auch nicht das Thema Corona, die damit verbundene Krise auf allen Ebenen oder etwaige Lösungsansätze von meiner Seite. Ich möchte mich vielmehr zu einer Sache äußern, die mir seit Ewigkeiten alle Jahre wieder ein Ärgernis ist: Wahlplakate.
Wahlkämpfe sind vom Grundsatz her etwas sehr schönes. Sie sind gelebte Demokratie. Parteien und Personen bewerben sich um die Gunst der Wählerinnen und Wähler und versuchen, diese von ihren Positionen und ihrer Kompetenz zu überzeugen. In der Theorie eine tolle Sache!
Die Realität sieht jedoch leider anders aus. Die Parteien überbieten sich in inhaltsleeren Plattitüden. Wunderbar lässt sich dies am Beispiel der Oberbürgermeisterwahl in Köln beobachten: Die amtierende Bürgermeisterin Henriette Reker ist „Gut für Köln“, ihr Herausforderer Andreas Kossiski ist hingegen „Für ein starkes Köln“. Es wäre für mich als Werbefachfrau eine echte Herausforderung, mir noch einfallslosere und langweiligere Slogans auszudenken. Man hätte bei solchen Sprüchen auch die Gesichter tauschen können und es würde nicht den geringsten Unterschied machen.
Ob auf kommunaler Ebene, auf der Landesebene oder im Bund: Seit Jahrzehnten ist diese Form der Kommunikation in Wahlkämpfen gang und gäbe. Frau Merkel hat diese zur Schau gestellte Inhaltslosigkeit in einem Wahlkampf nach dem anderen beinahe kunstvoll zur Perfektion getrieben. Die Menschen haben es ihr gedankt und sie seit nunmehr fast sechzehn Jahren immer wieder gewählt. Doch warum haben solche Wahlkampagnen eigentlich Erfolg? Müssten Politiker und Parteien, die statt Inhalten lediglich Allgemeinplätze simpelster Art transportieren, nicht eigentlich an der Wahlurne abgestraft werden?
Die traurige Wahrheit ist: Wir als Wähler tragen letztendlich die Schuld für diese Plakate. Ich selbst habe mit meiner Agentur auch schon einige Male an Wahlkampagnen gearbeitet. Gerne hätte ich dabei auch mal mehr Mut und Kreativität in die triste Landschaft der Wahlplakate gebracht. Dies wird jedoch von den Politikern nicht gewünscht. Sie trauen es sich einfach nicht. Und das liegt vor allem an uns – den Wählern.
Wir honorieren diese Mutlosigkeit nämlich. Politiker sollen bloß niemandem wehtun, sonst werden sie abgestraft. Deswegen bleiben sie lieber im Ungefähren. Sie sind alle für „mehr Plege“, weil das jeder gut findet. Wem sie dafür vielleicht das Geld wegnehmen müssen, sagen sie aber ungern. Und wir möchten das offensichtlich auch nicht hören. Stattdessen wollen wir kurze Schulwege, aber ärgern uns über den Lärm, den die Kinder machen. Wir wollen Stromtrassen bauen, aber bloß nicht vor der eigenen Haustür.
Dennoch möchte ich die Politiker hier auch nicht zu sehr in Schutz nehmen. Alle paar Jahre steigen sie hinab vom Elfenbeinturm und begeben sich unter das Durchschnittsvolk. Plötzlich sind sie ganz bürgernah und beißen bei jeder Gelegenheit medienwirksam in Bratwürste und trinken lokales Bier. Es würde ihnen gut tun, sich auch außerhalb des Wahlkampfs nicht dem normalen Leben zu entziehen und öfter den Kontakt zum Bürger zu suchen. Mit der Bahn oder dem Fahrrad zu fahren, um die Alltagsprobleme am eigenen Leib zu erleben. Nicht nur für schöne Fotos mit Pflegepersonal zu sprechen, sondern sich über ihre gesamte Amtsperiode hinweg wirklich mit den Sorgen und Nöten der Menschen auseinanderzusetzen.
Vielleicht würden dann auch interessantere Wahlplakate entstehen, und ich müsste mich nicht mehr ärgern wenn ich mir sie, mal wieder im Stau stehend, ansehe. Wenigstens sind anders als früher nicht ausschließlich alte, weißhaarige Herren auf den Plakaten zu sehen. Ich würde mir dennoch wünschen, dass noch viel mehr Frauen und junge Menschen den Schritt in die Politik wagen würden!
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende. Bleiben Sie gesund!