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Starke und mutige Frauen von heute

Seit Jahren betreue ich drei Halbwaisen im Iran. Sie sind wie eigene Kinder für mich und ich stehe ihnen sehr nahe. Gestern rief mich meine 14-jährige Ziehtochter aufgelöst an. Sie weinte bitterlich. Der Grund: Sie wurde vor einem Jahr zwangsverlobt und soll jetzt zwangsverheiratet werden. Häufig sind es Frauen und Mädchen unter 18 Jahre, die betroffen sind. Alle zwei Sekunden wird ein Mädchen gezwungen vor den Altar zu treten. Das ist für mich ein absolutes No-go und inakzeptabel! Meine Ziehtochter lebt in ärmlichen Verhältnissen und bekommt nur einmal pro Woche eine warme Mahlzeit. Trotz allem hat sie ein Anrecht darauf ein glückliches Leben zu führen wie jede Jugendliche in ihrem Alter. Sie hat den sehnlichsten Wunsch aus diesem Teufelskreis der Abhängigkeit und Benachteiligung auszubrechen. Sie träumt beispielsweise von einem Medizinstudium und der Möglichkeit sich selbst zu versorgen. Für mich steht fest: Ich werde alles dafür tun, sie zu retten, die Zwangsehe zu verhindern und ihr ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Denn es ist Zeit gegen die Unterdrückung und Diskriminierung vorzugehen. Es ist mir bewusst, dass Armut häufig ein erheblicher Risikofaktor darstellt. Die Eltern der Mädchen erhalten eine Mitgift, die das Überleben der Familie sichert. Auch vor diesem Hintergrund werde ich meine Ziehtochter nicht im Stich lassen. Am Telefon schluchzte sie und sagte zwar mit leiser Stimme aber mit Nachdruck, dass sie so stark und mutig werden möchte wie ich und mich als Ihr Vorbild ansieht. Das Telefongespräch mit meiner Ziehtochter hat mich sehr traurig gemacht und mich zum Nachdenken bewegt. Wie haben sich die Rollenmuster verändert? Was versteht man unter einer modernen Frau? Und was macht eine Beziehung im heutigen Zeitalter aus?

Meine Ziehtochter aus dem Iran
Meine Ziehtochter aus dem Iran

Männer möchten gerne die Oberhand haben, dass heißt aber im Gegenzug nicht, dass die moderne Frau von heute abhängig, ignorant und schwach sein muss. Früher waren die Beziehungen etwa so konzipiert: Ein Mann lernt eine Frau kennen und sie tut alles für ihn, bis er sie endlich geheiratet hat. Anschließend sind sie zusammengezogen und sie kümmerte sich sorgfältig um den Haushalt oder arbeitete in einem bescheidenen Job. Kurzum: Die Frau unterwarf sich dem Mann. Der Mann war der Ernährer und Entscheidungsträger. Einfach gesagt: „der Mann des Hauses“. Nach außen lebten sie ein glückliches Leben bis am Ende ihrer Tage. Mit diesem Rollenverständnis sind viele Eltern, Großeltern und Uhrgroßeltern aufgewachsen.

Liebe Frauen, wir leben im 21. Jahrhundert und die Zeiten haben sich erfreulicherweise geändert. Frauen vertreten 47% der Arbeitskräfte in Deutschland und 40% der erwerbstätigen Frauen sind in Führungspositionen oder in professionellen Tätigkeitsfeldern tätig. Als Unternehmerinnen, Chefinnen, Wissenschaftlerinnen und Expertinnen spielen Frauen eine wichtige Rolle in der deutschen Wirtschaft. Auch können Eltern Familie und Beruf besser miteinander vereinbaren. Männer nehmen ohne Probleme Erziehungsurlaub und unterstützen auf diese Weise ihre Partnerin bei ihrem Karriereweg. Das bedeutet, dass zunehmend auch Frauen die Bosse sind. Sie sind stark, unabhängig und übernehmen gerne Verantwortung für sich selbst. Heute ziehen bereits 82% der Frauen bis zum Alter von 27 Jahren aus ihrem Elternhaus aus. Sie sind nicht auf die Unterstützung eines Mannes angewiesen und bestreiten mutig ihr Leben.

Leider gibt es aber immer noch Frauen, die in der Vergangenheit leben und nicht bereit sind, auf eigenen Beinen zu stehen. Sie übernehmen bedürftig die Mutterrolle für ihren Mann und schätzen es von ihm gebraucht zu werden. Selbst wenn sie verlassen werden, orientieren sie sich nicht um. Sie sind frustriert, einsam und unglücklich. Als verlassene Frau möchten sie als Opfer gesehen und bemitleidet werden. Sie begreifen nicht, dass ihr Mann seine Gründe dafür hatte sie zu verlassen, gegebenenfalls sie sogar zu betrügen oder sie zu belügen. Sie haben tatenlos zu gesehen, sich der Situation nicht gestellt und keine Konsequenzen gezogen. Warum? Sie haben es doch als Frau nicht nötig. Sie tun sich damit doch keinen Gefallen. Liebe, Hochzeit, Beziehung – Nichts lässt sich erzwingen. Jeder Mensch hat doch Würde, Ehre und Stolz.

Starke Frauen dagegen wissen, was sie wollen, entscheiden selbstbestimmt und nehmen sich, ihre Meinung und ihre Bedürfnisse ebenso wichtig, wie die ihres Partners, ihrer Freunde und Familienmitglieder. Das heißt allerdings nicht, dass starke Frauen nicht verletzlich sind wie alle anderen Frauen. Auch sie gehen durch tiefe Täler, machen Fehler und sind nicht permanent souverän. Innere Stärke zeichnet sich jedoch dadurch aus, wie man mit schwierigen Situationen umgeht und dabei niemals die Eigenschaft verliert, für sich selbst einzustehen und Respekt für sich und seine Mitmenschen zu haben.

Bitte tun Sie sich selber den Gefallen und gehen Sie würdevoll, erhobenen Hauptes, selbstbewusst, unabhängig, mutig und stark als Frau durch das Leben. Ich weiß, dass jeder es schaffen kann, auch Sie. Nutzen Sie Ihre Gleichstellung und Selbstbestimmung als Frau, denn sie ist in vielen Ländern der Welt noch lange nicht selbstverständlich.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende.