Heute ist der „Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen“. Seit seiner Einführung durch die UN-Generalversammlung im Jahr 1999 erinnert dieser Tag uns jedes Jahr an das schreckliche Ausmaß, in dem Frauen überall auf der Welt Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt werden. Ein Ausmaß, dass nach Ansicht der Generalversammlung dazu führt, dass Frauen weltweit nicht in den vollen Genuss ihrer Menschenrechte und Grundfreiheiten kommen.
Aber wie sieht es in unserem fortschrittlichen und gleichberechtigten Deutschland aus? Ich war wirklich schockiert als ich die Zahlen gesehen habe. Denn laut dem Familienministerium wird jede dritte Frau in Deutschland mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von physischer oder sexualisierter Gewalt. Jede vierte Frau erfährt mindestens einmal körperliche oder sexuelle Gewalt durch ihren Partner. Solche Zahlen hätte ich eher aus Dritte-Welt-Ländern wie Afghanistan erwartet. Zudem sind alle Schichten davon betroffen: die Langzeitarbeitslose genauso wie die Zahnärztin oder die Millionärsgattin.
Sicher haben Sie solche Zahlen schon häufig irgendwo aufgeschnappt, waren vielleicht kurz erschrocken darüber und haben sie dann auch schnell wieder aus dem Bewusstsein verloren. Gerade deswegen ist es so wichtig, dass es zumindest einmal im Jahr diesen Tag gibt, der uns alle daran erinnert: Nach wie vor werden Frauen in einem erschreckenden Ausmaß Opfer von Gewalt. Neben der klassischen körperlichen oder sexuellen Gewalt gibt es auch psychische, wirtschaftliche oder familiäre Gewalt, wie beispielsweise junge Frauen und Mädchen, die zwangsverheiratet werden.
Leider wird Gewalt und Straftaten im Allgemeinen in Deutschland viel zu häufig nur aus der Sicht der Täter betrachtet. Was hat den Täter angetrieben? Hatte er eine schwierige Kindheit und braucht eine Therapie, um seine Neigung zur Gewalt in den Griff zu kriegen? Ist er vielleicht selbst als Kind geschlagen und misshandelt worden?
Diese Fragen sind zweifellos wichtig, um das Problem von Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen. Und doch sind sie nur die eine Seite der Medaille. Um Gewalt an Frauen in Zukunft häufiger zu verhindern, müssen wir Frauen stärken und zu einem Selbstbewusstsein verhelfen, dass es ihnen ermöglicht, schon auch nur bei der ersten Androhung von Gewalt zu sagen: Ich habe einen besseren Partner verdient! Denn allzu häufig kehren Frauen einem gewalttätigen Partner nach dem ersten Schlag nicht den Rücken, sondern fallen auf die Entschuldigungen und Versprechungen herein, dass es doch nur ein Ausrutscher war und nie wieder passieren wird.
Doch wer seinem Partner diesen einen Schlag verzeiht, verliert die Achtung vor sich selber und findet sich schnell in einem Teufelskreis der Gewalt wieder. Viele Frauen haben auch durch ihre Erziehung nicht die Stärke, für ihr körperliches und seelisches Wohl einzutreten und klar und deutlich zu sagen: Ich lasse mich nicht schlagen! Vielleicht haben sie bereits in der Familie Gewalt erlebt, oder traumatische sexuelle Erfahrungen nagen an ihrem Selbstwertgefühl.
Ich glaube, dass in jeder Frau eine starke Frau steckt. Manchmal braucht es dafür jahrelange Therapie, manchmal aber vielleicht auch nur ein starkes weibliches Vorbild. Sicher haben auch viele Frauen, die gerade diesen Artikel gelesen haben, bereits Gewalt erleiden müssen. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht und wie sind Sie damit umgegangen? Schreiben Sie mir gerne!